Sanieren, um zu vermieten

Fallbeispiel: Sanierung in Salzgitter

Sanieren, um zu vermieten

Viel ist zu lesen über hohe Mieten und „Edel-Sanierungen“ in den boomenden Zentren Deutschlands. Über die Aufgaben, die Wohnungsunternehmen in schrumpfenden Städten zu bewältigen haben, ist dagegen nur wenig zu hören. Dort steht im Mittelpunkt, die Immobilien überhaupt vermieten zu können und die Maßnahmen – beispielsweise eine (energetische) Sanierung – sind weit weniger schlagzeilenträchtig, obwohl sie den Mietern klare Vorteile bieten. In Salzgitter (Niedersachsen) hat die kommunale Wohnungsgesellschaft mehrere Straßenzüge energetisch optimiert, um weiter attraktive Wohnungen anbieten zu können. Mit Erfolg: Die Gebäude aus den 1950er/1960er Jahren sind nicht nur energetisch auf aktuellem Stand, sie sehen auch wieder schön aus – und sind gut vermietet.

Unsanierte Wohnhäuser aus der Aufbauphase der 1950er und 1960er Jahre bieten hohes Energie-Einsparpotenzial. Das Beispiel aus Salzgitter zeigt, wie dieses Potenzial genutzt werden kann: Hier wurden große Gebäudeensembles zukunftsfähig gemacht. Ziel war nicht nur der geringere Energiebedarf, sondern auch, die Vermietbarkeit in der Kreisstadt mit sinkender Einwohnerzahl nachhaltig sicherzustellen.

Die Wohnbau Salzgitter GmbH betreut mehr als 5.100 Wohnungen, in denen fast 10.000 Menschen leben. Ein Großteil der Gebäude stammt aus den 1960er Jahren. Die Modernisierung ist deshalb ein zentrales Anliegen der Wohnbau. Zu den mittlerweile sanierten Objekten gehören die Wohnhäuser in der Käthe-Kollwitz-Straße und in der Friedrich-Ebert-Straße. „Man kann schon sagen, dass die Sanierung städtebauliche Bedeutung hatte, weil wir eine Seite eines fast kompletten Straßenzuges modernisiert haben“, erklärt Lutz Rohn von der Wohnungsgesellschaft. Allein in der Friedrich-Ebert-Straße investierte die Wohnbau 2013 rund 1,6 Millionen Euro in die Fassadenerneuerung und weitere 350.000 Euro in neue Fenster.

106 Wohnungen in den vier- und fünfgeschossigen Häusern erhielten eine neue Außendämmung. Das Ziel: Ein Wärmedurchgangskoeffizient 0,2 W/m²K. Viele ungedämmte Wände haben einen U-Wert zwischen 1,3 W/m²K und 1,4 W/m²K. Auf diesem Stand waren auch die Gebäude in der Friedrich-Ebert-Straße, die Außenwände bestanden aus beidseitig geputztem Mauerwerk. Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) mit Dicken zwischen vier und acht Zentimetern gab es nur an einigen Giebeln. Zum Vergleich: Energieeffizienzhäuser müssen 0,24 W/m²K erreichen, Passivhäuser sogar 0,15 W/m²K.

Es „zieht“ nicht mehr

Zug entsteht vor allem durch eine ungedämmte Wand: An kalten Tagen liegt die Temperatur an der Innenseite der Außenwand unter der Raumtemperatur, daher kühlt die Raumluft an dieser Wandseite ab. Die kalte Luft „fällt nach unten“, Zirkulation entsteht. Bewohner spüren diese Luftbewegung als „Zug“. Fassadendämmung sorgt dafür, dass sich die innere Seite der Außenwand auch bei Minusgraden draußen kaum abkühlt. Die Zirkulation unterbleibt. Durch die Dämmung sinken außerdem die Wärmeverluste über die Wand nach außen, die Wärme bleibt im Raum und die Bewohner müssen weniger heizen.

Als Wärmedämm-Verbundsystem hat die Wohnbau Salzgitter in beiden Straßen 14 Zentimeter dicke Dämmplatten aus Polystyrol (Wärmeleitfähigkeit von 0,032 W/mK) verbaut. Bei den ohnehin recht engen Balkonen griff sie auf dünnere Phenolharzplatten mit einer Wärmeleitfähigkeit (WLG) von 0,022 W/mK zurück. Dadurch genügte eine vergleichsweise dünnere Dämmschicht. Die obersten begehbaren Geschossdecken erhielten ebenfalls eine Dämmung: 14 Zentimeter dicke Polystyrolplatten (WLG 035) und eine 19 Millimeter dicke Spanplatte als begehbaren Belag. Insgesamt verbesserte sich die Energiekennzahl der Gebäude von 185 auf 135 kWh/m²a. „Der betriebswirtschaftliche Sinn solcher Maßnahmen liegt vor allem in der Sicherung der Vermietbarkeit der Bestände“, erklärt Rohn.

Doppelte Wärmedämmung, dreifache Verglasung

An einigen Giebeln gab es bereits Wärmedämm-Verbundsysteme. Diese wurden entweder entfernt oder aufgedoppelt. Dabei wird die bestehende mit der neuen Dämmung verklebt und zur Sicherheit zusätzlich bis auf den tragenden Untergrund durchgedübelt. Dieses Vorgehen spart Ressourcen, die Zeit für den Abriss der alten Dämmung und die Entsorgung. Neue Kunststofffenster mit Dreifachverglasung (U-Wert 0,95 W/m²K) ersetzen in der Friedrich-Ebert-Straße zudem die alten, doppelverglasten Fenster. Der Austausch wurde allerdings nicht nur aus energetischen, sondern auch aus strategischen Gründen vorgenommen. „Fenstererneuerung findet hauptsächlich statt, weil es für Fenster, die 30 Jahre und älter sind, irgendwann keine Beschläge mehr gibt“, sagt Rohn.

Barrieren: abgebaut

Die Sanierung besaß eine weitere Facette: Barrierefreiheit. An den Häusern in der Friedrich-Ebert-Straße 23 und 25 entfernten die Bauarbeiter dazu die Balkone der Erdgeschosswohnungen und hoben das Geländeniveau an. Es entstanden Terrassen, die über Rampen erschlossen werden. Dieses Beispiel dürfte Schule machen, denn bereits heute sind bei der Wohnbau 40 Prozent der Mieter 60 Jahre und älter. Das Unternehmen rechnet damit, dass ihr Anteil in den kommenden Jahren deutlich zulegen wird. Damit dürfte auch die Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum weiter steigen.


Bautafel
Sanierung Mehrfamilienwohnhäuser Salzgitter

Standort
Salzgitter, Friedrich-Ebert-Straße / Käthe-Kollwitz-Straße
Auftraggeber
Wohnungsbaugesellschaft mbH Salzgitter
Fassadendämmsystem
StoTherm Vario, teilweise als Aufdoppelung des bestehenden WDV-Systems
Farbgestaltung
StoDesign
Fachhandwerker
maltec Johannes Temps GmbH, Neustadt a.R.
Habekost GmbH, Hildesheim
Gustav Borrmann GmbH & Co. KG, Braunschweig

 


 

 

Zeitgemäß sanierte Wohnbauten aus den 1950er/1960er Jahren sparen Energie, sehen gut aus – und werden nachgefragt.

Foto: Michael Meschede, Kaufungen / Sto SE & Co. KGaA

 

 

Die Wohnbau Salzgitter GmbH hat große Teile ihres Bestandes durch gezielte energetische Sanierung zukunftsfähig gemacht.

Foto: Michael Meschede, Kaufungen / Sto SE & Co. KGaA

 

 

Die Bevölkerung in Salzgitter schrumpft: 1974 lebten dort mehr als 121.000 Menschen. Heute zählt die Stadt nur noch rund 98.000 Einwohner. 2030 sollen es weniger als 85.000 sein – für Wohnungsgesellschaften ergeben sich daraus völlig andere Aufgaben als in den „Boomtowns“.

Foto: Michael Meschede, Kaufungen / Sto SE & Co. KGaA

 

  Investitionen in den Bestand stellen die Wettbewerbsfähigkeit der Wohnungen sicher.

Foto: Michael Meschede, Kaufungen / Sto SE & Co. KGaA

 


Abdruck honorarfrei, Belegexemplar erbeten